Der 1987 eröffnete Zoo von Taipei ist mit einer Gesamtfläche von 165 Hektar der größte Zoo in Asien. Mit dem Schmetterlingshaus und einem angrenzenden zwei Hektar großen parkähnlichen Freigelände für Schmetterlinge wurde dem Zoo besondere Attraktivität verliehen und den Bewohnern Taiwans -- das als "Königreich der Schmetterlinge" gilt -- die Möglichkeit gegeben, sich besser über diesen Naturreichtum zu informieren. Das gewächshausartige Aviarium wurde mit Wirtspflanzen für Raupen und nektarproduzierenden Pflanzen für die Schmetterlinge bepflanzt, so daß die Schmetterlinge einen ihren Bedürfnissen perfekt angepaßten Lebensraum haben. Im Aviarium des Zoos von Taipei werden 80 verschiedene Arten von Schmetterlingen gehalten. Nach Angaben von Zooexperten kann man bei einem Spaziergang durch den Schmetterlingspark sogar 150 verschiedene Arten antreffen.
Im Foyer des Schmetterlingshauses können sich die Besucher über die Metamorphose des Schmetterlings und seine Lebensräume in Taiwan informieren, in der Zuchtanlage die einzelnen oder in Gelegen abgelegten Eier betrachten und beobachten, wie die Raupe sich häutet, an einem Seidenfaden hängend zur Puppe wird und schließlich nach langer Ruhepause als bunter Schmetterling aus dem Kokon schlüpft. Schulkinder werden in Führungen durch sachkundiges Zoopersonal über die Notwendigkeit des ökologischen Gleichgewichts informiert und können durch Betrachten und Anfassen Angst und Ekel vor den vermeintlich häßlichen und giftigen Raupen verlieren. Der Zoo und das Schmetterlingshaus sind zu einem sehr beliebten Ausflugsziel geworden; statistisch gesehen besucht jeder Bewohner Taipeis einmal pro Jahr den Zoo.
Obwohl Insekten seit mehr als 300 Millionen Jahren auf der Erde leben und mit schätzungsweise 10 bis 100 Millionen Insektenarten die größte aller Tierklassen darstellen, löst ihr Anblick bei vielen Menschen Empfindungen wie Angst, Ekel und Ablehnung aus. Die Spezies der Schmetterlinge (lepidoptera) bildet da die große Ausnahme, denn sie haben bei wohl allen Menschen einen hohen ästhetischen und symbolischen Stellenwert. Seit Menschengedenken wird die Metamorphose der Schmetterlinge, ihre stufenweise Entwicklung vom Ei über die Larve und das Puppenstadium zum fertigen Insekt als eines der großen Naturwunder angesehen. Die physikalische Struktur ihrer extrem geruchsempfindlichen farbigen Schuppen und ihre unglaublichen Überlebenskünste durch Tarnung, Abschreckung und geschickte taktische Fluchtmanöver gelten als noch größere Wunder.
In Taiwan rankt sich um die Entstehung des Schmetterlings eine hübsche Sage: Einst stellten sich die reichen Eltern einer jungen Frau gegen ihre Liebe zu einem armen Jüngling. Als dieser aus Leid darüber starb, nahm sich das Mädchen das Leben und wurde so mit dem Geliebten wieder vereint, und aus dieser Verbindung entstand der Schmetterling.
Leider schwindet weltweit der Bestand und die Artenvielfalt dieser schönen filigranen Tiere. Verschiedene Ursachen sind hier zu nennen: Zum einen die zunehmende Stickstoffanreicherung der Böden, hervorgerufen durch Industrie, Autoverkehr und Landwirtschaft, dann die sich ausbreitende Monokultur in der Landwirtschaft, der Einsatz von Herbiziden, die jedes sogenannte Unkraut ausmerzen, und schließlich Insektizide, die nicht zwischen "nützlichen" und "schädlichen" Insekten differenzieren. Von den 1300 in Deutschland heimischen Großschmetterlingsarten beispielsweise sind mehr als die Hälfte gefährdet. Laut einer Untersuchung konnten 1990 im Stadtbereich Frankfurt noch ganze 19 Tagfalterarten nachgewiesen werden -- ein dramatischer Rückgang gegenüber den 800 im Jahre 1960 dort angetroffenen Arten.
In Taiwan treten zwar ähnliche Probleme auf, die zu einer rezessiven Entwicklung bei den Schmetterlingen führen, aber diese Insel im ostchinesischen Meer ist nach wie vor das "Königreich der Schmetterlinge". Hier haben sich ganz verschiedene Schmetterlingswelten aus tropischen wie auch andere aus gemäßigten Zonen ausgebreitet. In einigen Tälern kommen heute noch riesige Tagfalterschwärme vor.
Das in der asiatischen subtropischen Zone gelegene Taiwan liegt genau am Übergang der Paläarktis, der gemäßigten Regionen des eurasischen Kontinentalklimas, und der tropischen Regionen der sogenannten Orientalis. Aufgrund dieser geographischen Lage und seiner klimatischen Bedingungen besitzt Taiwan eine außerordentliche Artenvielfalt in Flora und Fauna: Es kommen beispielsweise etwa 450 Vogelarten vor, was auf den ersten Blick nicht sehr beeindruckend ist, gibt es doch weltweit 9000 Vogelarten. Gemessen an seiner relativ kleinen Fläche jedoch steht Taiwan in puncto Vogelartendichte weltweit an zweiter Stelle.
Die größte Artenvielfalt in Taiwan herrscht jedoch bei den Insekten. Nach einer Untersuchung des Entomologen Ma Chao-jiun aus dem Jahre 1956 kamen damals auf der Insel 13 889 Insektenarten vor, doch gehen Schätzungen mit weiteren 30 000 bis 40 000 bislang unentdeckten Arten weit über diese Zahl hinaus. Am Beispiel der Schmetterlinge wird Taiwans Insektenreichtum besonders signifikant. Diese Gattung ist mit 410 Arten vertreten, von denen 50 endemische Arten sind. Das flächenmäßig zehnmal größere Japan hat nur 225 Schmetterlingsarten.
So unterschiedlich wie Taiwans Geographie mit seinen hohen Bergen (von denen sich 62 Gipfel mehr als 3000 Meter hoch über den Meeresspiegel erheben), mit seinen Terrassenlandschaften, tiefen Tälern, Ebenen und dem tropischen Regenwald im Süden der Insel, so unterschiedlich sind auch seine Schmetterlingsarten. Die auf Taiwan anzutreffende Insektenfauna zeigt große Ähnlichkeit mit derjenigen der Nachbarregionen, und viele in Taiwans Höhenlagen lebende Insekten ähneln den in der Provinz Yunnan im Südwesten der Volksrepublik China, den im Norden Birmas oder den in Tibet vorkommenden Arten.

Der Tagfalter Idea leuconoe auf Nektarsuche.
Nach ihrer biologisch-systematischen Klassifizierung stammen diese Insekten aus der Himalayaregion. Beispiele hierfür bei den Schmetterlingen sind der Iphiclides eurous , eine Segelfalterart aus der Familie der Papilionidae , der Neozephrus taiwaniensis, eine Bläulingsart der Tagfalterfamilie Lycaenidae, und die Ritterfalterart Agehana malaho . Auch die Tiere aus der Paläarktis ergänzen die Insektenfauna Taiwans, so der Schwalbenschwanzschmetterling Papilio machaon aus der Familie der Papilionidae .
Die Insektenfauna im Flachland ist überwiegend von der Orientalis beeinflußt. Hier findet man beispielsweise die Vogelflüglerart Triodes aeacus aus der Familie der Papilionidae, die Weißlingart Prioneris thestylis aus der Familie der Pieridae, den Fleckenfalter Ariadne ariadne aus der Familie der Nymphalidae und viele andere. Daneben kommen Schmetterlinge vor, die man sonst nur in Südchina findet, nämlich der Ritterfalter Papilio dialis, die Weißlingart Pieris naganu und andere. Die Schmetterlingsarten Taiwans und die der Himalayaregion stehen also in engstem Zusammenhang miteinander.
Die Vogelflüglerart Troides maghellanus , welche auf den Philippinen und in Malaysia sowie im gesamten südpazifischen Raum vorkommt, findet man auch auf der zu Taiwan gehörenden Orchideeninsel (Lanyü). Der Troides-Schmetterling kommt in 24 Arten und doppelt so vielen Unterarten vorwiegend in tropischen Zonen vor. Der unter Naturschutz stehende Vogelflügler Troides maghellanus aus der Familie der Papilionideae ist das ganze Jahr hindurch anzutreffen, hauptsächlich jedoch im Frühling und Sommer. Die Schmetterlingsraupe ernährt sich von einer Kletterpflanze, der Aristolochia. Aufgrund der zunehmenden Landkultivierung und somit einer Verknappung seiner Futterpflanze ist die Anzahl dieser prächtigen Tagfalter auf der Orchideeninsel in den letzten zehn Jahren leider stark zurückgegangen. Der weibliche Schmetterling legt keine Eier ab, wenn die für seine Nachkommen notwendige Futterpflanze fehlt.
Chen Weso, ein Oberschullehrer aus Taipei und Schmetterlingsenthusiast, hat ein über 10 Jahre angelegtes Forschungsprojekt durchgeführt und bei seinen Beobachtungen festgestellt, daß zu Projektbeginn noch 140 Vogelflügler im Jahr zu sehen waren, vor drei Jahren jedoch nur noch die erschreckend geringe Anzahl von 72 Exemplaren. Um den größten und auffälligsten der einheimischen Tagfalter Taiwans vor dem drohenden Aussterben zu retten, wurde vor drei Jahren auf der Orchideeninsel ein Zuchtprogramm gestartet. Nach Angaben des mit dem Zuchtprogramm beauftragten Forschungsinstituts für einheimische Arten (Taiwan Endemic Species Research Institute , TESRI) sind die Ergebnisse vielversprechend, und so wird in den kommenden Jahren eine ständige Zunahme der Population dieser Schmetterlinge erwartet. Die Weibchen, deren große goldfarbene Flügel mit einer grünlich schimmernden Zeichnung überzogen sind, legen in der Zuchtfarm große Mengen Eier.
In einer weiteren Maßnahme zur Rettung dieser endemischen Schmetterlingsart wurden von dem TESRI im westtaiwanesischen Landkreis Nantou Setzlinge der Futterpflanze angebaut und später auf die Orchideeninsel gebracht. 220 dieser Setzlinge sind in den letzten drei Jahren dort bereits gut gediehen. Wie das Institut mitteilte, ist die Pflanzung von weiteren 800 Setzlingen geplant.
Der erst 1936 im Landkreis Ilan entdeckte Schwalbenschwanz Agehana maraho ist ebenfalls eine sehr seltene Schmetterlingsart, die, wie insgesamt fünf weitere Schmetterlingsarten in Taiwan, unter Naturschutz steht. Im Frühling und Sommer findet man den Schwalbenschwanz in den zentralen und nördlichen Bergregionen Taiwans. Das Charakteristikum dieses großen Insekts ist sein von zwei Adern durchzogener Schwanz und seine schöne Färbung. Männchen und Weibchen weisen die gleiche Zeichnung auf, jedoch ist das Weibchen etwas größer als das Männchen, und die Schwanzenden ihrer Flügel sind stärker gerundet.
Da der Agehana maraho eine seltene und zudem endemische Art ist, wurde er in Taiwan zum "National-Schmetterling" erklärt. Die Raupe des Schwalbenschwanzes lebt auf dem Sassafrasbaum Sassafras randaiende, dessen hochwertiges Holz oft für Möbelfurniere verwendet wird. Der Sassafrasbaum ist eine sehr alte Baumart aus dem Tertiär, der dritten Eiszeit in Taiwan, und kommt in Höhen von 1000 bis 2000 Metern über dem Meeresspiegel in Mischwäldern vor. Der Bockkäfer hat dem ohnehin geringen Bestand dieser Bäume immer wieder großen Schaden zugefügt. Nach langjährigen Versuchen mit Jungpflanzen ist es dem Forstamt nun gelungen, den Sassafrasbaum an den Hängen des Taiping-Berges bei Ilan im Nordwesten Taiwans aufzuforsten. Dadurch hat der unter Naturschutz stehende Schwalbenschwanz einen neuen, sicheren Lebensraum gefunden. Zusätzlichen Schutz erfährt der seltene, schöne Schmetterling durch eine Verordnung, nach der Personen, die ihn sammeln, mit einer Geldstrafe von umgerechnet 1500 DM oder einer Gefängnisstrafe bis zu sechs Monaten rechnen müssen.
Im Nationalpark Kenting an der Südspitze Taiwans befindet sich der einzige tropische Regenwald Taiwans, in dem seltene Schmetterlinge leben. Durch Biologen betreut, genießen die den Schmetterlingen als Nahrung dienenden Pflanzen besondere Pflege und Schutz, denn das Überleben der seltenen Pflanzen bedeutet zugleich das Überleben für die gefährdeten Schmetterlinge. Selbst Wanderern bleiben Teile dieses Gebietes verschlossen -- man fürchtet das Absammeln von Schmetterlingen nicht so sehr wie die Beschädigung der wichtigen Wirtspflanzen.

Noch vor 20 Jahren wurden zahllose Schmetterlinge aus Taiwan exportiert, und man lachte über die Idee, Schmetterlinge unter gesetzlichen Schutz zu stellen. Mit verschiedenen Fangmethoden konnte man in einer Nacht bis zu 10 000 Schmetterlinge sammeln, von denen viele in einem fragwürdigen Kunsthandwerk -- das heute glücklicherweise aus der Mode gekommen ist -- zu Tabletts, Untersetzern, Bildern und sonstigen Dekorationsartikeln verarbeitet wurden. Heute ist Arten- und Naturschutz in Taiwan selbstverständlich und in Gesetzen festgeschrieben, wie dem 1989 in Kraft getretenen Artenschutzgesetz, das sicher auch den Schmetterlingen zugute gekommen ist.
Im 28 Kilometer südlich von Taipei gelegenen Erholungsort Wulai und in den Bergregionen Nordtaiwans finden sich zum Beispiel 105 verschiedene Schmetterlingsarten, die die üppige Pflanzenwelt des subtropischen Regenwaldes dort bereichern. Weiter südlich befindet sich in einer abgeschiedenen Gegend mit unzerstörter Natur der Sonne-Mond-See. Der kleine Ort Puli in dieser Region ist ein wahres Schmetterlingsparadies und beherbergt übrigens auch ein Schmetterlingsmuseum. Von November bis Februar überwintern Millionen von Schmetterlingen aus den kälteren Regionen Nord- und Mitteltaiwans im Süden. Die riesigen Schwärme auf ihrem Flug von den Bergen und Hügeln in die Schmetterlingstäler in der Nähe von Kaoshiung und Pingtung sind ein überwältigender Anblick. Im Mai sind Millionen von zartgelben "Zugschmetterlingen" in der Umgebung von Mei-nung, einer Stadt in der Nähe von Kaoshiung, anzutreffen. Das Tal, in dem sie sich niederlassen, trägt deshalb den Namen "Grünes Tal der gelben Schmetterlinge". Von Juni bis August kann man im Schmetterlingspark auf dem Mientien-Berg im Nationalpark Yangmingshan ein farbenfrohes Spiel unzähliger tropischer Schmetterlinge beobachten.
Anfang November 1998 eröffnete Jürke Grau, Professor am Institut für Systematische Botanik der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie Direktor des Botanischen Gartens in München und Direktor der Botanischen Staatssammlung, vor einem zahlreichen Publikum im Botanischen Garten eine Schmetterlingsausstellung, deren im Wasserpflanzenhaus frei herumflatternden Exponate zum größten Teil aus Taiwan stammten.
Münchens botanischer Garten war im Jahre 1812 in der Innenstadt angelegt worden, und ein Jahr später wurde das Königliche Herbarium gegründet. Im Jahr 1914 zog die Botanische Staatssammlung zusammen mit dem Botanischen Garten aus der Innenstadt an den heutigen Standort nach Nymphenburg um, wo auch das Institut für Systematische Botanik der Universität angesiedelt ist. Der Botanische Garten umfaßt eine Gesamtfläche von 22 Hektar. In den Gewächshäusern und im Freiland werden heute 15 000 Pflanzenarten aus der ganzen Welt gezüchtet.
Ein Gegenstück zu der "sanften", dem Gedanken des Artenschutzes verpflichteten Form der Präsentation lebender Tierexponate im Botanischen Garten München bot parallel der Tiergarten Nürnberg, der in den kalten Wintermonaten in seinem Naturkundehaus durch eine Ausstellung mit 38 Schmetterlingsbildern des taiwanesischen Malers Chiu Cheng-tsung eine farbenprächtige Abwechslung erhielt und so gleichzeitig einen Eindruck des sich wandelnden Selbstverständnisses von Zielsetzung und Auftrag zoologischer Arbeit vermittelte. Bereits im Jahre 1994 hatte der Nürnberger Zoo den Beschluß gefaßt, bis 2001 ein Schmetterlingshaus einzurichten, das mit viel Zustimmung rechnen darf. Was lag da näher, als mit den liebevoll gestalteten Bildern Chiu Cheng-tsungs einen ersten Vorgeschmack zu geben?
Chiu Cheng-tsung, 1954 in Taichung (Zentraltaiwan) geboren, war nach seinem Studium der Kunstpädagogik 1978 als Kunsterzieher tätig und erweiterte seine eigenen künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten durch ein Photographiestudium in Tokyo. Ab 1986 arbeitete er u. a. als Kinderbuchautor und -illustrator und wurde für seine künstlerische Arbeit verschiedentlich geehrt und ausgezeichnet. 1997 gründete er einen eigenen Kinderbuchverlag und gab neben anderen Publikationen auch ein reich bebildertes Lexikon der in Taiwan lebenden Schmetterlingsarten heraus, das die Grundlage für die Ausstellung im Nürnberger Zoo darstellt.
Helga Doppler arbeitet seit über zwölf
Jahren in der Presseabteilung des Taipei
Wirtschafts- und Kulturbüros in München.
In ihrer Freizeit beschäftigt sie sich
viel mit chinesischer Kunst und Kultur.